SPOTLIGHT

Angelika Kauffmann und Pierre Puget

Über Leben und Tod

Zwei Kunstwerke, die kaum unterschiedlicher sein könnten

In unserer neuen „Spotlight“-Reihe beleuchten wir außergewöhnliche Werke in unserer Galerie. Diesmal zwei Werke, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch auf faszinierende Weise miteinander korrespondieren. Der Kunsthistoriker Peter Prange hat tiefgehende Recherchen zu Angelika Kauffmanns (17411807) „Hebe tränkt den Adler“ und Pierre Pugets (16201694) „Johannesschüssel“ betrieben, die wir in zwei separaten Ausgaben vorstellen.

Während Kauffmann in ihrem Meisterwerk einen zarten Moment der Mythologie einfängt, zeigt Puget die radikale Brutalität der biblischen Geschichte. So stehen Kauffmanns rosige Hebe und Pugets fahler Johannes im Spannungsfeld von Leben und Tod.

Im Folgenden präsentieren wir die Werke und spannende Insides.

IN DEINEM ANBLICK WAR MEIN GANZES LEBEN,

ICH SCHWAMM, DICH HEBE!
SEHEND, IN ENTZÜCKEN
Ludwig I. von Bayern \ Sonett X

Angelika Kauffmann (1741 -1807)

Hebe tränkt den Adler

Öl auf Leinwand \ 129,4 × 102,6 cm

Provenienz
\ Nachlass Angelika Kauffmann (1741–1807), Rom
\ Johann (Giovanni) Kauffmann (1751–1829), Rom
\ Maria Magdalena Vogler-Bächler (1804–1851), Kreuzlingen
\ Albertine Vogler-Sallmann (1850–1929), Kreuzlingen
\ Alfred Ernst Sallmann (1888–1970), Kreuzlingen
\ Konstanz, Rosgartenmuseum, Inv. Nr. L 3 (Leihgabe der Nachfahren Alfred Sallmanns)
\ Privatbesitz Hessen, Deutschland

Ein programmatisches und PERSÖNLICHES VERMÄCHTNIS \ eine REFLEXION auf Kauffmanns künstlerisches Schaffen und ihre Stellung im Kunstgeschehen \ seit GENERATIONEN im Privatbesitz

Angelika Kauffmanns Gemälde „Hebe tränkt den Adler des Zeus“ vereint die Merkmale ihres Spätstils und blieb unvollendet. Die Dreiviertelansicht zeigt Hebe in einer stillen, verinnerlichten Szene: Sie sitzt vor einer kargen Landschaft mit düsterem Himmel und reicht dem Adler des Zeus eine Schale mit Nektar. Ihr Blick ist sinnend und voller Sentiment. Die Komposition konzentriert sich auf die innerliche Bewegung der Figur, die griechische Idealität verkörpert. Ihre Zartheit und Jugendlichkeit spiegeln sich in der klassischen Harmonie ihres Profils wider, während die sfumatohafte Weichheit und sanfte Farbpalette die kontemplative Stimmung betonen.

Die Verkörperung griechischer Idealität und
zeitloser Schönheit

Das Gemälde bricht mit der Tradition des Historienbildes und stellt keine dramatische Handlung dar. Stattdessen wird ein Moment eingefangen, der das Vorher und Nachher offen lässt. Kauffmann verzichtet bewusst auf erzählerische Elemente und schafft ein „Einfigurenhistorienbild“, in dem das Sentiment die fehlende Aktion ersetzt.

Besonders interessant ist der Kontrast zwischen den ausgearbeiteten Figuren und dem skizzenhaften Hintergrund. Während Hebe und der Adler detailliert und glatt ausgeführt sind, bleiben Himmel und Landschaft unvollendet. Die locker aufgetragenen Pinselstriche im Hintergrund geben Einblicke in Kauffmanns Arbeitsprozess, bei dem sie von einer früheren Zeichnung abwich und den Adler letztlich in einer ruhigeren Pose darstellte. Diese Mischung aus vollendeten und skizzenhaften Elementen zeigt eindrucksvoll den Übergang von der Konzeptionsphase zur finalen Ausführung.

Angelika Kauffmann \ Hebe

Angelika Kauffmann \ Hebe

Hebe als Modeikone im 18. Jahrhundert

Im 18. Jahrhundert war es in Mode, sich als mythologische Figuren darzustellen, insbesondere als Göttinnen wie Hebe, die Jugend und Tugend verkörperte. Diese „Maskerade“ bot eine elegante Verbindung zwischen antiker Allegorie und moderner Mode und verlieh den Porträtierten eine historische Dimension. Besonders in Frankreich war Hebe eine beliebte Rolle bei Damen der Gesellschaft, die ihre jugendliche Frische und Anmut betonen wollten – ein Trend, der auch in England großen Anklang fand.

Joshua Reynolds \ Mrs. Musters als Hebe \ 1785

Joshua Reynolds \ Mrs. Musters als Hebe \ 1785

Angelika Kauffmann griff während ihrer Zeit in England auf diesen Mythos zurück und malte unter anderem die Lady Elisabeth Berkeley und die Countess of Carlisle als Hebe. Später konzentrierte sie sich auf Darstellungen, die Hebe und den Adler thematisieren. Anders als in zeitgenössischen Darstellungen, die oft erotische Untertöne hatten, setzt Kauffmann auf eine ernsthafte, klassische Interpretation. Ihre Hebe verkörpert eine kontemplative und zurückhaltende Weiblichkeit, die sich durch Rationalität und Gefühl auszeichnet. Im Gegensatz zu früheren Darstellungen verzichtete Kauffmann auf sinnliche Anspielungen und betonte stattdessen die Verbindung von Idealität und innerer Ausgeglichenheit.

Diese reflektierte Haltung, die Rationalität und Gefühl in Einklang bringt, spiegelt Kauffmanns eigene Persönlichkeit wider, die als bescheiden, kontrolliert und zurückhaltend beschrieben wird. Insofern äußert sich in der in sich gekehrten, maßvoll agierenden Hebe die programmatische künstlerische Philosophie Kauffmanns: die Verbindung von klassischer Idealität, emotionaler Ausgeglichenheit und einer reflektierten, moderaten Lebenshaltung.

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ICH WERDE ES DIR GEBEN
König Herodes an Samole \ Markus 6,22

Pierre PUGET (16201694)

Johannesschüssel

Öl auf Leinwand \ ca. 1675 \ 46,5 × 71,0 cm

Provenienz
\ Privatbesitz Marseille, Frankreich
\ Dr. E.Mazères, Perpignan, erworben 1954, veräußert 1972, seitdem
\ Privatbesitz Hessen, Deutschland

Ein Meisterwerk christlicher DRASTIK \ BLUTIGE SIGNATUR im Dienste der Kunst \ eröffnet eine bemerkenswerte REFLEXION über den Tod

Das Gemälde von Pierre Puget fängt die Stille nach einem unheilvollen Ereignis ein. Auf einem Zinnteller liegt der abgetrennte Kopf Johannes des Täufers, kunstvoll arrangiert auf einem steinernen Sockel mit antikem Blattfries. Die Szene ist stark reduziert und zeigt keine Hinweise auf das vorherige Drama. Der Kopf liegt ruhig und entspannt, mit geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund. Die bläulichen Lippen und die Augenlider deuten auf den Tod hin, während die fahlen Farben des Hintergrunds die leblos wirkende Atmosphäre unterstreichen.

Stillleben mit Kopf

Das Licht modelliert Kopf und Tuch kontrastreich heraus, während der Rest im Halbschatten versinkt. Der Kopf erinnert durch seine statuarische Schwere und die pathosgeladene Darstellung des leicht geöffneten Mundes an Christusporträts und sterbende griechische Helden. Blutstropfen rinnen von der Tellerrandkante und bilden den Schriftzug „puget“.

Pierre Puget ist vor allem als Bildhauer bekannt, doch erwies er sich in der Malerei als eine Art "Spätbegabung". Unser Gemälde zählt zu diesen späten Arbeiten, die Einflüsse von Rubens und Nicolas Poussin zeigen.

Vom Reliquiar zum Andachtsbild

Die „Johannesschüssel“ als Bildtypus hat eine lange Tradition und entstand aus der Verehrung des Täufers. Sie entwickelte sich von einem Reliquiar zu einem Andachtsbild, was die Bedeutung des Motivs für die religiöse Praxis unterstreicht.

In Pugets Werk zeigt sich auch der Einfluss von Caravaggio, insbesondere dessen Gemälden auf Malta. Caravaggio signierte eines seiner Werke symbolisch mit dem Blut des Täufers, was eine deutliche Parallele zu Pugets Bild darstellt: Auch hier bildet herablaufendes Blut die Signatur des Künstlers. Dieses Motiv schafft eine Verbindung zwischen dem Bild und dem Betrachter, indem das Geschehen über die Bildgrenze hinaus in den realen Raum übertritt.

Caravaggio \ Die Enthauptung Johannes des Täufers \ 1608

Caravaggio \ Die Enthauptung Johannes des Täufers \ 1608

Detail \ Caravaggio Signatur

Detail \ Caravaggio Signatur

Pugets Darstellung geht über eine rein narrative Schilderung hinaus. Der Kopf des Täufers verweist auf den Märtyrertod und die Parallele zu Christus. Die blutige Signatur des Künstlers zeigt Puget als Augenzeugen des Martyriums und spielt auf die klassische Künstlertopik des leidenden Schöpfers an.

Die blutige Signatur des Künstlers

Die ruhige, meditative Atmosphäre des Gemäldes lässt darauf schließen, dass es für private Andacht geschaffen wurde. Das kleine Format und die bildnishaften Züge deuten darauf hin, dass es sich weniger um ein öffentliches Werk als vielmehr um eine Reflexion über den Tod handelt. Die genaue Funktion des Gemäldes bleibt jedoch unklar, doch die intime und konzentrierte Darstellung verleiht ihm einen einzigartigen Charakter in Pugets Spätwerk.

Detail \ Puget Signatur

Detail \ Puget Signatur

© Frankfurt am Main 2024

Spotlight-Story von H. W. Fichter Kunsthandel
Konzept: Anna Toepffer

www.fichterart.de

Arndtstr. 49 | 60325 Frankfurt/Main
Tel. +49-(0)69-74 38 90 30 | info@fichterart.de

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